Der Groove, der „Crazy Train“ antreibt – Analyse eines Rockklassikers

Lee Kerslake Crazy Train

In diesem Artikel widmen wir uns dem Song „Crazy Train“. Geschrieben wurde er von Ozzy Osbourne, Bob Daisley und Randy Rhoads. Für Produktion und Komposition war neben Daisley, Osbourne und Rhoads auch Lee Kerslake für Crazy Train verantwortlich. Viele Fans verbinden Ozzys frühe Solo-Karriere mit Tommy Aldridge, doch tatsächlich saß Kerslake bei den ersten beiden Soloalben hinter den Drums und prägte mit seinem Spiel den charakteristischen Sound maßgeblich.

Die Erstveröffentlichung von „Crazy Train“ erfolgte als Singleauskopplung des ersten Solo-Studioalbums von Osbourne, Blizzard of Ozz, am 19. September 1980 bei Jet Records. In einem Interview mit Songfacts erwähnte Bob Daisley, dass Rhoads das markante Hauptriff bereits ausgearbeitet hatte. Während der gemeinsamen Arbeit an Melodie und Text stellten sie fest, dass es sich wie eine herannahende Eisenbahn anhört – was dem Song schließlich seinen Titel gab.

Lee Kerslake – Der Motor hinter Crazy Train

Lee Kerslake (16. April 1947 in Bournemouth; † 19. September 2020), ein britischer Schlagzeuger und Sänger, der vor allem für seine richtungsweisende Arbeit mit Uriah Heep bekannt war, brachte eine reichhaltige Erfahrung, Musikalität und Reife mit, die das gesamte Projekt maßgeblich prägte; für ihn wurde sogar der Begriff „Body Drumming“ geprägt, weil er nicht nur mit Armen und Beinen spielte, sondern seinen gesamten Körper in den Groove einfließen ließ.

Im Oktober 1979 verließ er Uriah Heep. In dieser Zeit spielte er für Ozzy Osbourne, mit dem er unter anderem das Album Blizzard Of Ozz aufnahm.

Ein Einstieg, der Rockgeschichte schrieb

Der Song beginnt mit einem der prägnantesten und bekanntesten Intros der Rockgeschichte. Ozzys Stimme – mit Delay unterlegt – ruft das ikonische „All aboard!!!“, und das Intro von „Crazy Train“ nimmt Fahrt auf.
Es basiert auf gemeinsamen Kicks aller Musiker auf die Zählzeiten 1 und 1+ sowie 3 und 3+. Dann folgt ein Vibraslap-Schlag, ebenfalls mit Delay versehen – ein im Rock eher untypisches Percussioninstrument, das hier als markantes Stilmittel dient.

Nach acht Takten setzt Randy Rhoads mit dem Hauptriff ein, das den Song endgültig auf die Schienen setzt.

Die Strophe – der eigentliche Antrieb

In der Strophe offenbart sich Kerslakes unverwechselbarer Stil: Er spielt durchgehende Sechzehntel auf der Hi-Hat, kombiniert mit der Bassdrum auf 4 on the floor. Dieses Muster verleiht dem Song seine charakteristische, stetig vorantreibende Energie.

Der Pre-Chorus – das Öffnen des Grooves

Im Pre-Chorus öffnet Kerslake das Pattern hörbar: Die HiHat wechselt von Sechzehnteln auf Achtelnoten, wodurch das Groove-Gefüge weiter wird und der Song hörbar für den kommenden Refrain geöffnet wird.

Der Refrain – strukturiert durch ein synkopiertes 16tel-Fill

Der Refrain wird durch ein markantes, synkopiertes 16tel-Fill strukturiert, bei dem Kerslake die dritte Sechzehntel bewusst auslässt. Er setzt die Figur geschmackvoll zwischen unisono Snare–Ride und anschließend Bassdrum–Ride–Bassdrum, wodurch ein knackiger, leicht versetzter Akzent entsteht. Das Fill gliedert den Refrain klar, ohne den Fluss zu unterbrechen – ein Beispiel für Kerslakes musikalische Reife und Songdienlichkeit.

Der Pre-Solo-Aufbau – kontrollierte Spannung

Bevor das Gitarrensolo beginnt, zieht Kerslake das Tempo der Spannung an: Im Pre-Solo-Teil arbeitet er mit präzise platzierten Triolenfiguren, die sich über mehrere Takte steigern. Der Aufbau endet in einer abschließenden Achtel auf der Bassdrum, die den Übergang klar markiert. Erst danach beginnt das Solo von Randy Rhoads – über einem strukturierten, sauber vorbereiteten Fundament.

Nach dem Solo – die Struktur schließt sich

Nach dem Gitarrensolo greifen die Musiker wieder auf die vertrauten Bausteine zurück: Strophe, Pre-Chorus und Refrain kehren in ihrer ursprünglichen Form zurück. Die Songstruktur wiederholt sich damit klar und stringent – ein bewusst gesetzter Bogen, der „Crazy Train“ rhythmisch wie dramaturgisch zusammenhält.

Rechtsstreit und Kontroversen: Lee Kerslake Crazy Train

1998 klagten Lee Kerslake und Bob Daisley gegen Ozzy und Sharon Osbourne auf ausstehende Tantiemen und Songwriting-Credits für Blizzard of Ozz und Diary of a Madman. Daraufhin ließ das Osbourne-Management bei den 2002er Neuauflagen ihre Bass- und Schlagzeugspuren durch neue Einspielungen ersetzen. Nach heftigen Fanprotesten wurden die Originaltracks 2011 wiederhergestellt.

Kerslake zeigte sich später unsicher, warum das Verhältnis so stark belastet war. Er vermutete, dass eine von Ozzy gewünschte Nachricht an Sharon zu dauerhaftem Groll geführt haben könnte. Der Entertainment-Anwalt Steven Machat schrieb 2011, Sharon Osbourne sei unzufrieden mit dem großen kreativen Einfluss von Kerslake und Daisley gewesen und habe Ozzy mehr Kontrolle geben wollen. Produzent Max Norman bestätigte ebenfalls, dass beide Musiker wesentliche Beiträge zum Songwriting der frühen Soloalben geleistet hatten.

Späte Jahre und Abschied: Lee Kerslake

Im Dezember 2018 gab Kerslake bekannt, dass er an Prostatakrebs litt. „Der Arzt hat mir ungefähr acht Monate zu leben gegeben“, sagte er. Bereits fünf Jahre zuvor war ihm eine Lebenserwartung von vier Jahren prognostiziert worden. Zusätzlich kämpfte er mit Schuppenflechte, psoriatischer Arthritis und zwei Herzgeräuschen. In dieser Phase äußerte er einen letzten großen Wunsch: die Platin-Auszeichnungen für die Alben Blizzard of Ozz und Diary of a Madman, an denen er maßgeblich beteiligt gewesen war. Er schrieb Ozzy Osbourne einen persönlichen Brief – und Osbourne erfüllte ihm diesen Wunsch. Kerslake erhielt seine Platin-Schallplatten. Am 14. Dezember 2018 trat Kerslake noch einmal mit Uriah Heep im Shepherd’s Bush Empire auf und steuerte Percussion und Gesang zu „Lady in Black“ bei. Am 19. September 2020 starb Lee Kerslake im Alter von 73 Jahren an den Folgen seiner Krebserkrankung. Kurz zuvor hatte er die Arbeiten an seinem Soloalbum Eleventeen abgeschlossen, das am 26. Februar 2021 postum veröffentlicht wurde.

Er hinterließ seine Frau Susan und zwei erwachsene Kinder.

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