Frühes Leben und musikalische Prägung
Yussef Dayes wurde am 12. Dezember 1992 in Süd-London geboren. Er wuchs in einem musikalisch denkenden Umfeld auf: Sein Vater war jamaikanischer Rastafari und importierte karibische Lebensmittel; seine Mutter stammte aus Somerset und war Grundschullehrerin sowie Yoga-Lehrerin.
Schon als Kind waren in der Familie viele Instrumente präsent. Sein Vater spielte Bass, seine Brüder Trompete bzw. Posaune oder Cello, alle hatten Klavierunterricht.
Seinen ersten richtigen Schlagzeug-Kontakt hatte Dayes im Alter von etwa vier Jahren durch ein kleines Kit bzw. das Trommeln auf Töpfen und Pfannen. Ein prägendes Erlebnis war, dass er mit etwa zehn Jahren an einem Workshop des Jazz-Fusion-Drummers Billy Cobham teilnahm, was seine Sicht auf Dynamik, Groove und strukturelle Feinheiten nachhaltig beeinflusste.
Stil, Klang und Technik
Yussef Dayes’ Schlagzeugspiel ist charakterisiert durch:
- Polyrhythmen & Vielseitigkeit: Er zieht Inspiration aus afrikanischen Trommeltraditionen, brasilianischer Perkussion, Reggae, Hip-Hop, Jungle, Breakbeats, Jazz-Funk u.v.m.
- Dynamik und Gefühl: Das Spiel ist nie nur laut oder nur trickreich, sondern legt großen Wert auf Balance, auf Energie und Raum zugleich. Er spricht oft davon, wie wichtig ihm ist, dass ein Ton nicht durch Härte sondern durch Ausdruck kommt.
- Live-Energie vs. Studioarbeit: Er legt Wert darauf, dass seine Aufnahmen die Lebendigkeit von Live-Auftritten widerspiegeln und dass er mit seiner Band eine starke Präsenz entwickelt.
Technisches Verständnis und Equipment
Über konkrete Ausrüstung sind weniger Details öffentlich dokumentiert, aber anhand seiner Live- und Studioarbeit lassen sich einige Schlüsse ziehen:
Sein Spiel erfordert Flexibilität: schnelle Ghost Notes, feine Spielereien auf Becken und Percussion, viel Kontrolle über Dynamik. Er musiziert häufig mit Bandmitgliedern, die auf hohem Niveau improvisieren können. Tempowechsel, Übergänge und Groovebeweglichkeit sind Vorraussetzung in seinen Quintets.
Seine Wahl für Akustik und Mikrofonierung trifft er so, dass alles sehr natürlich und organisch klingt – wenig überproduziert, mehr Raum für den Resonanzkörper und für Nuancen. Das zeigt sich auch im Album Black Classical Music.
Eigenartige Splashes, verschiedene Percussions und ungewöhnliche Kesselgrößen sind typisch für Dayes. Viele Sounds, die zur Untermalung beitragen und Klangvielfalt erzeugen, sind fester Bestandteil seines Aufbaus. Yussef Dayes hat keinen festes Endorsement und wechselt viel durch. Von Gretsch über Yamaha, bis hin zu Trixon war bisher alles dabei.
Projekte und Solo-Karriere
United Vibrations
Mit seinen Brüdern Ahmad Dayes (Trombone), Kareem Dayes (Bass) und dem Saxophonisten Wayne Francis formte Dayes die Band United Vibrations. Die Gruppe kombinierte Afrobeat mit Elementen von Jazz und Rock und veröffentlichte z. B. „Galaxies Not Ghettos“ (2011), das EP We Never Die (2012) und später The Myth of the Golden Ratio (2016).
Yussef Kamaal
2016 gründete er zusammen mit Keyboarder Kamaal Williams das Duo Yussef Kamaal. Ihr Debütalbum Black Focus wurde zu einem der wichtigsten Alben der zeitgenössischen Londoner Jazzszene.
Kollaborationen + Soloprojekte
Nach der Zeit mit Yussef Kamaal arbeitete Dayes mit verschiedenen Künstlern zusammen, u.a. mit Tom Misch (Album What Kinda Music, 2020) und viele Features in unterschiedlichsten Genres. 2023 erschien sein erstes echtes Soloalbum Black Classical Music.
Besonders hervorzuheben ist sein aktuelles Projekt „The Yussef Days Experience“. Hier spielt er mit talentierten Künstlern seine eigene Musik und Covers im eigenen Stil an atemberaubenden Schauplätzen unseres Planeten, wie z.B. hier in Malibu:
Bedeutung und Einfluss
Yussef Dayes gilt heute als einer der markantesten Drummer seiner Generation, insbesondere in der Londoner Jazz- und Szene für experimentelle rhythmische Musik. Er verbindet:
- Tradition & Innovation: Er respektiert Jazztraditionen und afrikanische Rhythmen, bringt aber moderne Tanz- und Straßenmusikkulturen (Grime, Jungle, elektronische Musik) mit ein.
- Brückenbauer: Seine Kollaborationen gehen weit über Jazz hinaus und erreichen Pop, elektronische Musik, Fusion. Dadurch erreicht er ein Publikum, das nicht unbedingt aus den typischen Jazz-Hörern besteht.
- Ein Vorbild für Rhythmusbewusstsein: Für Schlagzeuger ist er ein Beispiel dafür, wie Grooves nicht nur technische Fertigkeit, sondern kulturelle Tiefe, Hörbewusstsein und musikalische Empathie verlangen.
Rhythmus als Sprache
Ein Drummer wie Dayes steht unter dem Druck, sowohl für Jazzpuristen als auch für Mainstream-Hörer relevant zu bleiben. Wie schafft man es, die spontane Magie eines Live-Sets auch im Studio einzufangen, ohne Kompromisse bei der Perfektion einzugehen? Dayes zeigt, dass er Wege gefunden hat, das anzustreben. Für Schlagzeuger bietet sein Spiel eine Fülle an Lernmomenten über Dynamik, über musikalische Vielseitigkeit, über Rhythmus als Sprache und über Haltung. Yussef Dayes ist mehr als „noch ein Jazzdrummer“. Er ist ein Klangwanderer zwischen Welten, ein Rhythmusarchäologe, der alte Geschichten und neue Grooves verbindet. Sein Album Black Classical Music markiert nicht nur einen Karriereschritt, sondern eine kraftvolle Aussage: Rhythmus ist Geschichte, Kultur und Gefühl in einem.