Hinter Glitzer, Guillotinen und Dollarregen saß ein Gentleman mit perfektem Timing. Neal Smith am Schlagzeug machte Billion Dollar Babies zu einem Monument des Glam-Rock – präzise, gefährlich und wunderschön übertrieben.
Der Dandy im Auge des Sturms: Neal Smith
Von außen war alles Theater: Guillotinen, Glitzer, abgetrennte Puppenköpfe und Dollarregen. Doch im Zentrum dieses Spektakels, hinter all dem Kunstblut und Kajal, saß ein Mann mit makellosem Timing: Neal Smith. Er war der Schlagzeuger, der das Chaos ordnete. Smith, Jahrgang 1947, geboren in Akron, Ohio, war von 1967 bis 1974 der Drummer der originalen Alice-Cooper-Band – jener Urformation, die mit Love It to Death, Killer und School’s Out die Jugend Amerikas verführte und empörte. Sein Spiel war kein lautes Zufallsprodukt, sondern Architektur in Bewegung: elegant, präzise, gefährlich kontrolliert. Und nie klang es so luxuriös wie auf Billion Dollar Babies (1973).
Ein kalkulierter Exzess
Das Album war ein Triumph des kalkulierten Exzesses. Platz 1 in den USA, im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden; Top-Ten-Erfolge in Deutschland, Österreich, Norwegen und Australien. In Kanada hielt sich die Platte 39 Wochen in den Charts, erreichte Platinstatus und gilt bis heute als eines der erfolgreichsten Werke der Band. Kritiker wie Greg Prato nannten es
„einen der besten Rockklassiker überhaupt“,
Robert Christgau sprach von der„stimmigsten Arbeit“ in Alice Coopers Karriere.
Der Groove, der das Album prägte
Viele Drummer sprechen noch immer von einem der originellsten Drum-Intros der Rockgeschichte. Produzent Bob Ezrin wollte ursprünglich einen konventionellen, geradlinigen Rockbeat – doch Neal Smith setzte eigene Akzente. Inspiriert von Charlie Watts und dem Intro des Rolling-Stones-Klassikers Get Off of My Cloud formte er ein Intro, das nicht nur perfekt in den Song passte, sondern ihn bis heute unverwechselbar macht. Mit gekonnt eingesetzten klassischen Rudiments wie Flams und fein abgestimmten Akzenten erzeugte Smith ein Klangbild, das fast wie ein kleines Drumorchester wirkt.
Live und interpretiert von dem aktuellen Drummer Glen Sobel
Nach dem Fall des Vorhangs
Nach dem Bruch gründete Smith mit Bruce und Dunaway die Band Billion Dollar Babies – ja, sie nannten sich tatsächlich so. Das Projekt endete in einem Rechtsstreit und einem einzigen Album (Battle Axe, 1977). In den Achtzigern verkaufte Smith Immobilien in Neuengland, spielte nebenbei mit Mitgliedern von Blue Öyster Cult und den Plasmatics und veröffentlichte schließlich Platinum God – eine vergessene Soloaufnahme aus den Siebzigern. Später gründete er Bouchard, Dunaway & Smith, spielte mit Buck Dharma, Jack Bruce und sogar bei Alice Coopers Welcome 2 My Nightmare wieder mit.
2011 wurde Neal Smith – zusammen mit der Originalbesetzung – in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Seitdem blieb er aktiv, mal als Studiomusiker, mal als nostalgischer Wiedergänger seiner eigenen Legende. Auf Hollywood Vampires (2015) ist er in „School’s Out / Another Brick in the Wall“ zu hören, 2021 auf Coopers Detroit Stories – und 2025 steht die Band wieder vereint im Studio: The Revenge of Alice Cooper.
Der Mann, der die Übertreibung taktierte
Neal Smith ist heute 78 – und noch immer schlägt sein Schlagzeug mit derselben Mischung aus Stil und Bosheit. Vielleicht, weil er nie einfach Rock spielte, sondern ein Ritual vollführte. Hört man Billion Dollar Babies heute, klingt es nicht alt, sondern makellos geplant: eine Feier der Übertreibung mit der Präzision einer Schweizer Uhr. Und im Zentrum dieser Uhr sitzt einer, der sie gebaut hat: Neal Smith, der Dandy an der Trommel. Der Mann, der die Dekadenz neu erfand.

