Neulich war ich bei der Band Alles auf Zucker im Westerwald. Ehrlicher Hard-Rock mit viel Energie und ein Schlagzeug, das optisch wie klanglich sofort Aufmerksamkeit zog: Ein Premier Resonator mit großen Kesseln (14″x10″, 16″x16″, 24″x14″), was heutzutage durchaus Seltenheitswert besitzt. Nach dem Konzert habe ich mit Valentin, dem Drummer der Band, gesprochen. Er hat mich durchs Setup geführt und ich konnte mir den Live-Sound aus nächster Nähe anhören und das Kit spielen. Ergebnis vorweg: Das Resonator ist mehr als ein Sammlerstück. Es ist ein interessantes Arbeitsgerät, das 2025 im Kontext noch viel Sinn macht, wenn man weiß, was man will.
Spielgefühl: Brachial mit Leichtigkeit
Wenn man das Set selber spielt, versteht man sofort, was Valentin meint: „Durch die großen Kessel und den tiefen, trockenen Sound hat man etwas sehr Brachiales und trotzdem steckt eine gewisse Leichtigkeit drin, weil das Set selbst bei leiser Spielweise den Raum füllt und man sich einfach sicher fühlt.“
Der Rebound ist, logisch, geringer als bei kompakteren Maßen, besonders spürbar bei der 24″x14″ Bass Drum. Wer auf den Toms viel Rebound für filigrane Patterns braucht, muss technisch etwas mehr arbeiten. Wer hingegen Druck, Attack und diese 70s/80s-Autorität sucht, fühlt sich sofort zuhause.
Aufbau/Transport: Valentin hat viel probiert und kommt zu einem klaren Setup-Tipp: Die Hängetom klingt am besten auf einem separaten Tom-/Beckenständer. Auf einem Snareständer geht „viel vom Sound verloren“, am BD-Tomhalter wirkt sie „starr“. Das passt zur Zeit, in der das Set entstand: Keine freischwingenden Aufhängungen, Hardware noch deutlich massiver. Gummifüße an BD und Floor Tom? Fehlen, stört aber in der Praxis nicht.
Live-Sound: Premier Resonator
Der Bühnen-Eindruck war zweigeteilt, und das im besten Sinne. Im Rock-Kontext drückt das Set nach vorn: Viel Attack, klare Konturen, sehr gut ortbar im Band-Mix. Überraschend war, wie sensibel es in (den wenigen) leiseren Momenten reagiert. Valentin erzählt von einem spontanen Auftritt mit Akustikgitarre und Soul-Vocals, bei dem er die Vorband mit seinem Drumset unterstützte:
„Obwohl es ein riesiges Rock-Set ist, fügte es sich perfekt ein und übertönte nichts.“
Genau da liegt die Qualität: trocken, schnell, deutlich, aber nicht zwangsläufig laut. Die Dynamik lässt sich durchaus gut dosieren.
Felle und Stimmen: Klassische Rezepte funktionieren am besten
Bassdrum: Remo Powerstroke 3 Clear, das klassisches Rezept mit dem klassischen Ergebnis. Mit Evans EMAD wurde der Sound zwar fett, „aber hebt sich nicht mehr aus der Masse ab.“
Toms: Emperor Clear (moderner, trockener) oder Controlled Sound Clear (der „perfekte 70s/80s-Hard-Rock-Ton“). Beides funktioniert, je nach Band/Setlist.
Stimmverhalten: Die BD-Flügelschrauben sind anfangs ungewohnt, aber „hat man den Dreh raus kombiniert die Premier Bass Drum Punch und gute Spielbarkeit trotz des großen Formats. Die Toms sind einfach zu stimmen, Moongel & Co. bleiben meist in der Tasche. Selbst die klassischen Innendämpfer braucht Valentin kaum. Die Vintage Gußspannreifen, die optisch viel hergeben, sorgen zudem für gute Stimmstabilität, auch nach heutigen Maßstäben. Praktisch: Wie bei Sonor gibt’s Schlitzschrauben, die Sonor-Stimmschlüssel passen also.
Rar, liebevoll gebaut und klanglich eigen
Das Besondere steckt im Namen: Resonator. Im Kessel sitzt ein herausnehmbares Inlay, das alle Schrauben verdeckt. Die Luft gleitet ohne Hindernis durch den Kessel, daraus entsteht dieser spezielle Sound, doch dazu gleich mehr. Valentin mag auch den Seltenheitswert: Im Vergleich zu Ludwig oder Sonor sieht man Premier Resonator deutlich seltener.
„Der Bauaufwand ist enorm, so etwas würde man heute in Serienfertigung kaum mehr sehen.“
Musikalisch passt es für Alles auf Zucker (Classic Hardrock/Metal, u. a. AC/DC, Led Zeppelin, Motörhead, Metallica) perfekt – „und würde im Pop/Indierock wahrscheinlich erst recht positiv auffallen.“
Premier Resonator im Überblick
Baujahre
Das Premier Resonator wurdein der späten 1970er-Ära entwickelt und dann 1980 auf den Markt gebracht. Es war Premiers Versuch, einen besonders projizierenden, kontrollierten Studios- und Livesound zu liefern, in einer Zeit, in der große Kessel und trockene, definierte Töne gefragt waren.
Konstruktion
Das Alleinstellungsmerkmal ist die Doppelschalen-Idee:
- Außenschale: Trägt Lugs/Hardware, gefertigt aus Birke.
- Innenschale/Resonator-Liner: Dünne, glatte Innenhaut, die die Kesselinnenseite unterbrechungsfrei macht (keine Stege, keine Schraubendurchbrüche).
Ziel
Projektion, Konsistenz und hohe Lautstärke. Es handelte sich beim äußeren Kessel um 4 mm starkes Birkenholz an dessen Rand ein ca. 2 cm breiter Ring angeleimt ist. Dadurch kann der zweite, innere Kessel aus sogenanntem Fliegerholz (biegsam u. stabil) eingesetzt werden, welcher ohne zusätzliche Fixierung und nur durch die eigene Spannung gehalten wird. Die Innenhaut wirkt wie ein akustischer Leitkanal, der den Luftstrom in der Trommel bündelt und unerwünschte Turbulenzen minimieren soll. Theoretisch könnte man besagten inneren Kessel sogar komplett herausnehmen und hätte dann nochmal ein völlig neues Konzept, mit einem Kessel, der etwas klassischer klingt.
Sound
Trocken, fokussiert, laut mit markantem Attack und sehr klaren Konturen. Das Set lässt sich tief stimmen, ohne zu matschen, und hoch, ohne zu schreien. Genau das macht den Resonator-Soundaus: Kontrollierte Energie. Eine Ästhetik, die von Hard-Rock bis Indie-Pop funktioniert, sofern man auf Definition setzt.
Lohnt sich das heute noch?
Ja, wenn man genau das sucht. Wer maximale Vielseitigkeit, superleichten Rebound und moderne Free-Float-Komfortzonen erwartet, greift eher zu aktuellen Serien. Wer aber charakterstarken Vintage-Punch, trockene Charakteristik und einen klaren, projizierenden Ton will, bekommt mit dem Premier Resonator ein unverwechselbares Arbeitsgerät. Live hat mich das Set – gerade in Kombination mit den klassischen Fellrezepten – überzeugt: druckvoll, sofort im Mix, aber feinfühlig dosierbar. Und ja: Es ist ein Hingucker.
Kurz und Knapp
- Tom-Mounting: Separater Tom-/Beckenständer bringt hörbar mehr Offenheit als Snarekorb oder BD-Tomhalter.
- Felle: BD Powerstroke 3 Clear; Toms Emperor Clear (moderner/trockener) oder CS Clear (authentischer 70s/80s-Biss).
- Tuning: BD-Flügelschrauben brauchen Gefühl, belohnen mit Punch; Gußspannreifen sorgen für Stimmstabilität.
- Einsatz: Von Classic-Rock/Metal bis Punk, Indie, Pop. Funktioniert alles, wenn man Dynamik und Dämpfung im Blick behält.
Fazit des Abends: Das Premier Resonator ist kein nostalgisches Möbelstück, es ist ein charakterfestes Werkzeug. In den richtigen Händen (und mit den richtigen Fellen) liefert es eine Performance, die sich optisch und natürlich klanglich heutzutage keineswegs hinter modernen Sets verstecken muss – im Gegenteil.
Fotos: Simon Becker
Instagram: s1mon_be