Karen Carpenter gilt für viele als eine der großen Musikerinnen der 1970er Jahre. Zusammen mit ihrem Bruder Richard prägte sie als Teil des Duos The Carpenters dieses Jahrzehnt. Doch hinter der glänzenden Fassade verbarg sich ein Abgrund aus Leistungsdruck, familiären Spannungen und einer Essstörung, welche ihr letztendlich mit nur 32 Jahren das Leben kostete.
Frühe Jahre: Vom Drumkit ins Rampenlicht
Karen Anne Carpenter wurde 1950 in New Haven, Connecticut, geboren. Mit 13 Jahren zog die Familie nach Downey, Kalifornien. Dort entdeckte sie ihre Leidenschaft für Musik, zunächst am Schlagzeug. Schon früh zeigte sie ein außergewöhnliches Rhythmusgefühl und wollte sich ursprünglich eher als Drummerin als im Rampenlicht etablieren. Ihr Bruder Richard, Pianist, erkannte jedoch bald, dass auch ihre Stimme außergewöhnlich gut war.
Schlagzeugerin in einer Männerwelt
Weniger bekannt, aber nicht weniger bedeutend: Karen Carpenter war eine der ersten sichtbaren Schlagzeugerinnen im Pop. Ihr Spiel war präzise und unaufgeregt, stets im Dienst des Songs und geprägt von der klassischen Marching-Schule der amerikanischen High-Schools.
Das Besondere: Obwohl sie vor allem durch ihre Stimme berühmt wurde, war sie am Schlagzeug ebenfalls ein Ausnahmetalent.
„She had a great groove“
erinnerte sich Session-Drummer Hal Blaine.
Auf Druck der Plattenfirma trat sie jedoch immer häufiger als Sängerin in den Vordergrund. Für sie war das ein ambivalenter Schritt, denn sie fühlte sich zwar am Drumkit wohler, wurde aber zur Frontfigur und damit weltberühmt.
Der große Durchbruch
1970 gelang der weltweite Erfolg mit „(They Long to Be) Close to You“. Die Carpenters trafen den Nerv der Zeit: eingängige Melodien, sanfte Harmonien und eine Stimme, die zugleich verletzlich und kraftvoll klang.
Der Einfluss blieb nicht unbemerkt: Paul McCartney bezeichnete Karen Carpenter später als Sängerin mit „einer der einzigartigsten Stimmen, die ich je gehört habe“.
Es folgten Welthits wie „We’ve Only Just Begun“, „Rainy Days and Mondays“ oder „Please Mr. Postman“. Das Geschwister-Duo erhielt insgesamt sieben Grammys, darunter 1971 als „Best New Artist“.
Die Schattenseiten: Perfektionismus und Krankheit
Der Erfolg hatte seinen Preis. Die Carpenters galten als „das perfekte amerikanische Geschwisterpaar“ und genau dieses Image setzte Karen unter Druck. Schon in den frühen 1970er-Jahren begann sie stark abzunehmen. Zeitzeugen berichten, dass sie kaum aß und exzessiv Sport trieb. Ihre Anorexia nervosa, damals kaum als Krankheit bekannt, verschlechterte sich über die Jahre massiv. Richard Carpenter erklärte später, dass er und andere Angehörige damals schlicht nicht verstanden hätten, was Essstörungen wirklich bedeuteten, man habe nur gesehen, dass Karen immer dünner wurde.
Hinzu kam der kreative Konflikt: Ein geplantes Soloalbum, mit dem Karen ihre künstlerische Eigenständigkeit unter Beweis stellen wollte, wurde von der Plattenfirma zurückgehalten. Das traf sie hart.
Ein viel zu früher Tod
Am 4. Februar 1983 erlitt Karen Carpenter in ihrem Elternhaus in Downey einen Herzstillstand. Sie wog nur noch rund 40 Kilogramm. Ihr Tod löste weltweit Bestürzung aus, nicht nur wegen ihres jungen Alters, sondern auch, weil erstmals in großem Maßstab über Essstörungen diskutiert wurde.
Die New York Times würdigte sie damals in einem Nachruf und betonte die Tragik, dass hinter ihrer makellosen Stimme ein zerstörerischer Druck verborgen lag.
Vermächtnis
Heute wird Karen Carpenter nicht nur als Sängerin von Welthits erinnert, sondern auch als Pionierin für Frauen in der Musik. Sie öffnete Türen für Schlagzeugerinnen, die sich in einer von Männern dominierten Branche behaupten mussten. Ihre Lieder laufen nach wie vor im Radio, werden neu interpretiert und erreichen neue Generationen von Hörerinnen und Hörern.